„Zeitbombe“ Zucker

 

Mittlerweile leiden rund fünf Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes mellitus, der Zuckerkrankheit - und stetig werden es mehr. Doch weil die Krankheit oft über lange Zeit nicht spürbar ist, werden ihre Folgen von vielen Betroffenen noch immer unterschätzt. Dabei schädigt zuviel Zucker im Blut langfristig die Gefäße und Nerven, mögliche Folgen sind unter anderem Herzinfarkt, Schlaganfall, Erblindung, Nierenschäden und Potenzstörungen.

Doch soweit muss es nicht kommen, denn Diabetes ist, in doppelter Hinsicht, Einstellungssache. Halten die Betroffenen ihren Blutzucker durch eine angepasste Diät, Insulin und/oder Tabletten „im Lot“, haben sie beste Chancen, von den genannten Spätfolgen (weitgehend) verschont zu bleiben. Damit dies gelingt, ist allerdings ein selbstverantwortlicher Umgang mit dem Diabetes notwendig, und dazu gehört an vorderster Stelle die regelmäßige Blutzucker-Selbstkontrolle.

Je früher Betroffene den richtigen Umgang mit ihrer Krankheit erlernen, desto länger können sie ein (fast) normales und gesundes Leben führen.

Das bringt die Selbstkontrolle

Mit der Diagnose „Diabetes“ ist kein unabwendbares Schicksal verbunden. Im Gegenteil: Als Betroffener haben Sie es selbst in der Hand, welchen Verlauf die Krankheit nimmt. Eine Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Sie eine möglichst genaue Kontrolle über Ihren Blutzucker haben. Dies umso mehr, als eine Vielzahl von Faktoren die Werte beeinflussen kann. Dazu gehören

Ernährungsfehler,

das Vergessen von Spritzen oder Tabletten,

die Einnahme anderer Medikamente,

Bewegungsmangel,

Infekte sowie

psychischer Stress.

Eine (regelmäßige) Überprüfung des Zuckers durch den Arzt ist zwar hilfreich, allerdings bleibt diese Art der Überwachung zumeist grobmaschig. Die beste Strategie, häufige und starke Schwankungen des Blutzuckers zu vermeiden, ist daher eine konsequente Selbstkontrolle. Nur so können Sie auf mögliche Entgleisungen, das heißt über- oder Unterzuckerungen, schnell und angemessen reagieren. Führen Sie dazu ein Diabetiker-Tagebuch. Anhand der Urin- und Blutzucker-Werte sowie Angaben zur Ernährung und körperlichen Aktivität kann Ihr Arzt eventuell notwendige Korrekturen der Einstellung vornehmen. Sie werden sehen: Eine gute Stoffwechsellage beugt nicht nur Spätfolgen vor, auch Ihr körperliches Wohlbefinden wird sich steigern.

Selbstkontrolle - wie und wann?

Die Blutzucker-Selbstkontrolle ist der sicherste Weg zu einer guten Einstellung. Dabei wird ein Tropfen Kapillarblut aus der Fingerbeere entnommen und auf einen Teststreifen gebracht. Automatische Messgeräte ermitteln heute bereits nach wenigen Sekunden den exakten Wert. Die Urinzucker-Kontrolle erfolgt ebenfalls mittels Teststreifen, die kurz in eine Urinprobe gehalten werden. Im Urin ist der Zucker allerdings erst nachweisbar, wenn er im Blut bereits eine hohe, gesundheitsschädigende Konzentration erreicht hat. Deshalb ist mit diesem Messverfahren keine optimale Stoffwechseleinstellung zu erzielen.

Typ-1-Diabetiker sollten Ihren Blutzucker vor jeder Insulingabe testen. Bei Krankheit, Fieber, körperlicher Anstrengung sowie Anzeichen einer Unter- oder Überzuckerung ist der Blutzucker alle zwei bis drei Stunden zu messen.
Harnzucker-Kontrollen können ergänzend durchgeführt werden. Sie verlieren durch die engmaschigen Blutkontrollen allerdings an Bedeutung.

Bei Typ-2-Diabetikern richtet sich die Selbstkontrolle nach der Schwere der Erkrankung, sollte aber generell ein bis zwei Stunden nach dem Frühstück durchgeführt werden. Im Folgenden sind vier Fälle skizziert, die eine jeweils andere Kontrolle erfordern:

Sie nehmen keine Blutzucker senkenden Tabletten ein? Dann ist eine Überprüfung des Blutzuckers zwei- bis dreimal pro Woche ratsam.

Sie nehmen Blutzucker senkende Tabletten ein? Dann sollte täglich eine Kontrolle erfolgen.

Sie spritzen Insulin und nehmen zusätzlich Blutzucker senkende Tabletten ein? Kontrollieren Sie ebenfalls täglich.

Sie spritzen ein- bis zweimal am Tag Insulin? Eine Überprüfung des Blutzuckers sollte vor jeder Insulingabe erfolgen.

HbA1 - das Blutzuckergedächtnis

HbA1 ist die Abkürzung für „Hämoglobin-A1“. Hämoglobin wiederum ist der Farbstoff der roten Blutkörperchen und dient dem Transport von Sauerstoff. Was das mit Diabetes zu tun hat? Stets gehen Teile des Blutzuckers und des Hämoglobins unlösliche Verbindungen ein, und eben diese werden als HbA1 bezeichnet. Wichtig zu wissen: Mit jedem Anstieg der Blutzuckerwerte nimmt auch die „Verzuckerung“ des Hämoglobins zu. Die besondere Bedeutung erhält der HbA1 dadurch, dass er die durchschnittliche Überhöhung der Blutzuckerkonzentration anzeigt - und zwar während der vorangegangenen acht bis zehn Wochen. Denn dieser Zeitraum entspricht in etwa der Lebensdauer der roten Blutkörperchen.

Kurzzeitige Blutzuckerspitzen sind ohne Bedeutung für den HbA1, da eine dauerhafte Anlagerung des Zuckers an das Hämoglobin erst nach sechs bis acht Stunden erfolgt.

Es wird empfohlen, den HbA1 vierteljährlich bestimmen zu lassen. Weil er aber keine Aussage über Blutzucker-Einzelwerte zulässt, kann er die tägliche Selbstkontrolle nicht ersetzen.

Die optimale Einstellung

In der folgenden Tabelle ist aufgeführt, in welchem Rahmen sich Ihre Blutzuckerwerte bewegen sollten, um Spätfolgen wirksam vorzubeugen. Wichtig: Bleiben Sie am Ball, auch wenn der Zucker Ihnen trotz aller Bemühungen nicht immer „gehorcht“ - der Stoffwechsel lässt sich nicht hundertprozentig steuern.

Einstellungskriterien

Blutzucker
nüchtern

Blutzucker
1 Stunde nach dem Essen

Harnzucker

(mmol/l)

(mg/dl)

(mmol/l)

(mg/dl)

(%)

Sehr gut eingestellte Diabetiker

4,4-6,1

80-110

4,4-8,0

80-144

0

Gut bis befriedigend eingestellte Diabetiker

< 7,8

< 140

< 10,0

< 180

< 0,5

Quelle: Dr. med. Bernd Regling, Dr. rer. nat. Dorothee Guth in Diabetes-Beratung 2000, Wort & Bild Verlag

Der optimale HbA1-Wert

An den HbA1-Werten kann die langfristige Stoffwechseleinstellung abgelesen werden. Sie gelten daher als wichtiges Signal für mögliche Spätschäden an den Blutgefäßen und Nervenbahnen.

In Deutschland sind zwei Verfahren zur Bestimmung des HbA1 üblich. Der Vergleich von Werten, die mit unterschiedlichen Verfahren ermittelt wurden, ist problematisch, da die Normbereiche erheblich voneinander abweichen. Je nach Messmethode sind folgende Werte anzustreben:

Einstellungskriterien

HbA1

HbA1c

Normalbereich für Nicht-Diabetiker

5,4 - 7,6%

4,0 - 5,8%

Sehr gut eingestellter Diabetiker

< 8%

< 6,5%

Gut bis befriedigend eingestellter Diabetiker

8 - 9%

6,5 - 7,5%

Quelle: Dr. med. Bernd Regling, Dr. rer. nat. Dorothee Guth in Diabetes-Beratung 2000, Wort & Bild Verlag

Weitere Untersuchungen für Diabetiker

So wichtig die Selbstkontrolle für den Diabetiker ist - sie reicht nicht aus, um den allgemeinen Gesundheitszustand beurteilen zu können. Der behandelnde Arzt sollte daher folgende Untersuchungen regelmäßig durchführen:

jährliches EKG,

jährliche Kontrolle der Durchblutung der Beine,

halbjährliche Kontrolle der Nierenfunktion,

halbjährliche Kontrolle der Blutfettwerte,

halbjährliche Untersuchung der Augen, speziell des Augenhintergrundes,

jährliche neurologische Untersuchung,

vierteljährliche Fußinspektion,

vierteljährliche Bestimmung des HbA1 oder des HbA1c

regelmäßige Blutdruckmessungen,

regelmäßige Kontrolle des Körpergewichtes.